Kleine Patienten, große Verantwortung

Im Perinatalzentrum Holweide sind Früh- und Neugeborene in besten Händen

Merlin ist 23 Jahre und Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger im Perinatalzentrum Holweide, das über zehn Beatmungsplätze verfügt. Täglich sind er und seine Teamkollegen dort für die pflegerische Versorgung von Früh- und Neugeborenen verantwortlich – nicht selten geht es dabei auch um Leben und Tod. Ein Erfahrungsbericht, der deutlich macht, wie viel Kompetenz und professionelle Ruhe dem Team in Notfall- und auch Alltagssituationen abverlangt werden. Insbesondere dann, wenn die kleinen Patientinnen und Patienten häufig nicht mehr wiegen als eine 0,5 l Wasserflasche.

Immer an der Seite seiner kleinen Patientinnen und Patienten: Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger Merlin. ©Rütten

Zwischen 300 Gramm und fünf Kilogramm: Die Gewichtsspanne der ganz besonderen Patienten, die Merlin täglich versorgt, scheint zwar nicht besonders groß - doch jedes Gramm macht einen gewaltigen Unterschied. Breit hingegen ist das Krankheitsspektrum: Beginnend "reifen" Neugeborenen, die mit Unterzuckerung und Unterkühlung kämpfen, über Kinder, bei denen während der Geburt Komplikationen auftreten bis hin zu extremen Frühgeborenen mit unreifen Lungen und Gehirnen, die einer sehr aufwendigen 1:1-Betreuung bedürfen. Mit all diesen Krankheitsbildern kennt sich das Team des Perinatalzentrums bestens aus. Dementsprechend vielseitig ist das 40-köpfige pflegerische Team aufgestellt: Viele Kolleginnen und Kollegen verfügen über Fachweiterbildungen, beispielsweise in der Intensiv- und Anästhesiepflege bzw. Neonatologie. Es gibt Schmerz- und Hygienementoren sowie eine Stillberaterin und Krisenbegleiterin, die den Eltern in emotional herausfordernden Situationen zur Seite steht. „Oft wünschen sich die Eltern genaue Angaben darüber, wann ihr Kind wieder nach Hause darf“, berichtet Merlin, der seine Begeisterung für die Pflege während eines Praktikums in der Erwachsenenchirurgie entdeckt hat. Doch wie lange ein Säugling auf der Station verweilen muss, lässt sich nicht pauschal beantworten: „Bei einer Unterzuckerung kann es sein, dass das Kind noch am Ende desselben Tages entlassen wird, wenn es stabil ist. Frühgeborene bleiben zur Beobachtung und Versorgung immer mindestens bis zum errechneten Geburtstermin auf der Station – je nachdem, wie früh das Kind zur Welt gekommen ist, können das vier Monate und mehr sein.“

Patientenbezogene Betreuung

Merlin und seine Kolleginnen und Kollegen arbeiten im Dreischichtsystem; der Frühdienst beginnt um sechs Uhr morgens. Nach der Übergabe werden die Intensivkurven vorbereitet, in die sämtliche Vitalzeichen (lebenswichtige Körperfunktionen) eingetragen werden; dazu zählen außerdem die Gabe von Sauerstoff, die Beatmungsform, Nahrungsaufnahme, sämtliche Ausscheidungen, das Gewicht und die Medikamentenhistorie. Ziel ist es, sämtliche Behandlungsschritte genauestens zu dokumentieren. Das Team arbeitet patientenbezogen, sodass eine Pflegefachkraft idealerweise immer den gleichen Patienten versorgt. So haben sowohl die kleinen Patienten als auch ihre Eltern eine zuverlässige Bezugsperson, die um den Krankheitsverlauf bestens Bescheid weiß.

Gerade im lebensbedrohlichen Notfall gilt es, Ruhe zu bewahren

Doch auch zu Notfällen kommt es regelmäßig, beispielsweise dann, wenn während der Geburt Komplikationen bei Mutter oder Kind auftreten - auch eine auffällige Herzfrequenz des Babys auf dem Herzton-Wehenschreiber (CTG) kann mitunter Anlass zum sofortigen Einleiten der Geburt oder einem Notkaiserschnitt geben. Kritisch wird es auch dann, wenn Kinder – dabei muss es sich nicht zwangsläufig um Frühchen handeln, nach der Geburt nicht richtig atmen und es zu einer Sauerstoffunterversorgung kommt. Dies kann im Falle einer sogenannten Mekoniumaspiration geschehen, also dem Einatmen vom Darminhalt, auch „Kindspech“ oder Mekonium genannt, in die Lungen des Neugeborenen. Auf die Frage, worauf es in solch kritischen Situationen ankommt, rät Merlin: Ruhe bewahren. Dabei muss natürlich jeder einzelne Handgriff genauestens sitzen – auf Kompetenz kommt es genauso an wie auf Empathie, Geduld und Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Eltern. Bei der Medikamentenvergabe und sämtlichen Untersuchungen der Kleinen, so erklärt Merlin, ist Präzision das Gebot der Stunde. Besonders ein Ereignis hat ihn in seiner bisherigen Berufslaufbahn besonders geprägt: Während seines Ausbildungseinsatzes auf der Intensivstation wurde er Zeuge, wie ein Frühchen unter lebensbedrohlichen Atemaussetzern (Apnoen) litt und immer wieder tiefblau anlief. Im Gegensatz zu dieser extremen Situation strahlten die an der Versorgung des Frühchens beteiligten Krankenpflegerinnen große Ruhe aus; ruhig und hochkonzentriert führten sie alle nötigen Handgriffe durch. Ein Schlüsselerlebnis für Merlin, für den seitdem der persönliche Anspruch ans eigene Handeln feststeht: In Krisensituationen Ruhe bewahren und die bestmögliche Versorgung gewährleisten.

Optimale Vorbereitung dank Frühchenpuppe PaulEine Spende der Toni Kroos Stiftung: Frühchenpppe "Paul" ist lebensnah aber eben nicht lebendig. ©Panousi

Um das Team optimal auf die Versorgung von Früh- und Neugeborenen vorbereiten zu können, nimmt das pflegerische Team auf Initiative des leitenden Oberarztes regelmäßig an Schulungen zur Versorgung von Frühchen teil. Als lebensnahes aber eben nicht lebendiges Übungsmodell dient dabei Frühchenpuppe „Paul“, die von der Toni Kroos Stiftung gespendet wurde. Paul bringt ein Kilo auf die Waage und hat die Größe eines Frühgeborenen. Paul hat sogar einen Herzschlag, er bewegt sich und er schreit - beinahe wie die „echten“ Patienten. „An Früh- und Neugeborenen kann man nicht üben – an Paul schon. Dank seiner Hilfe können wir uns auf potentielle Notfälle bestens vorbereiten und eine gewisse Routine entwickeln, die in kritischen Situationen unbezahlbar ist“, erläutert Merlin. 

Dankbarkeit der Eltern und kleinen Patienten

Merlin muss nicht lange nachdenken, wenn man ihn danach fragt, was das Schönste an seinem Job ist: „Es ist die Dankbarkeit der Eltern und meiner Patientinnen und Patienten – auch wenn die Kleinen ihre Dankbarkeit im Gegensatz zu ihren Eltern nicht verbal ausdrücken, so ist sie dennoch unmittelbar." Für Merlin ist es das größte Geschenk und eine enorme Motivation, wenn sich die Vitalwerte seiner Patienten während seiner Schicht verbessern und er ihnen beispielsweise weniger Sauerstoff verabreichen muss. „Damit zeigt das Kind mir, dass ich meinen Job gut gemacht habe – direkter kann ein Feedback nicht sein.“ Für die Eltern sind Merlin und seine Kolleginnen und Kollegen oftmals der Fels in der Brandung: „Für uns ist Intensivstation Alltag. Für die Eltern nicht: Die ungewohnten Geräusche, Gerätschaften, die vielen Monitore und Kabel sind für die meisten Eltern neu und können Überforderung auslösen – gerade dann, wenn es um den Gesundheitszustand des eigenen Kindes geht. Umso wichtiger ist es daher, dass wir den Eltern Ruhe und Kompetenz vermitteln und ihnen klarmachen: Wir sind an kritische Situationen gewöhnt und wissen ganz genau, was wir tun.“
Um im Ernstfall direkt handlungsfähig zu sein, ist die Kommunikation zwischen dem Kreißsaal und dem Perinatalzentrum ausgesprochen eng. „Der Kreißsaal gibt umgehend Bescheid, wenn eine werdende Mutter in Behandlung ist, die potentiell ein Frühgeborenes entbinden könnte oder abzusehen ist, dass es zu Komplikationen kommt. Der Kreißsaal entscheidet, wie dringend die Situation ist. Wir erhalten die Informationen dann vom diensthabenden Arzt und treffen daraufhin alle nötigen Vorbereitungen, sodass wir direkt mit der Erstversorgung starten können.“

Bei der Versorgung von Früh- und Neugeborenen muss jeder Handgriff sitzen. ©Rütten Ein kleines Wunder von 300 Gramm

In seinem Berufsalltag erlebt Merlin täglich einen tieferen Sinn. Für ihn ist jeder kleine Patient ein echtes Wunder: „Es ist unglaublich faszinierend und ein wahres Wunder, diese winzigen Menschen von wenigen hundert Gramm auf der Hand zu halten und zu wissen, dass sie teilweise nicht mehr wiegen als eine 0,5 l Wasserflasche.“ Eltern und Kind bestmöglich zu versorgen, ihnen beizustehen und sie ein Stückchen auf dem Weg in die gemeinsame Zukunft zu begleiten, ist für Merlin mehr als nur ein Beruf, sondern eine wahre Herzensangelegenheit.
Für alle jungen Menschen, die sich ebenfalls für die Säuglingspflege interessieren, hat Merlin einen Tipp: „Ganz einfach: Anrufen, hospitieren und ausprobieren. Wir freuen uns immer über Praktikanten und geben sehr gern Einblicke in unseren Beruf.“ Und wer weiß: Vielleicht ist es bei dem ein oder anderen ja auch Liebe auf den ersten Blick für diesen Beruf – so wie bei Merlin. (cb)

Auch Dein Herz schlägt für die Früh- und Neugeborenenpflege?

Du hast Lust, das Team des Perinatalzentrums zu unterstützen oder bist auf der Suche nach einem Hospitationsplatz?
Dann melde Dich bei der Stationsleitung Petra Konnerth unter der 0221-8907 2373 oder per Mail an konnerthp@kliniken-koeln.de
Das Perinatalzentrum Holweide freut sich auf Dich!

Das pflegerische Team des Perinatalzentrums freut sich über Unterstützung. ©Rütten